Links ein Arzt und rechts ein älterer Herr, der auf sein Tablet schaut

Best of: Beiträge von PV-Experten

Wenn Sie mehr über die Erkrankung Polycythaemia vera wissen wollen: Hier informieren führende Experten und geben das aktuelle ärztliche Wissen an Sie weiter – gut verständlich aufbereitet.

Dr. med. Michaela Schwarz
Novartis

Im Labyrinth der Symptome

Dr. med. Michaela Schwarz gibt in diesem Interview einen Überblick über den Umgang mit den häufigsten Symptomen bei der PV.

Dr. Olaf Brudler
Novartis

Fatigue, Juckreiz, Herzinfarkt – reden wir über die „harmlose“ PV

Dr. Olaf Brudler berichtet in diesem Interview über seine Therapie Erfahrungen als PV-Spezialist in der niedergelassenen Praxis.

Das Archiv: Wissenswertes aufbewahrt

Im Archiv finden Sie ausgewählte Interviews mit Fachärzten für MPN-Erkrankungen und Reports von MPN Patiententagen aus den letzten Jahren. Experten fassen wichtige Inhalte zur Erkrankung und ihrer Therapie für Sie zusammen.

Dipl. oec. troph. Karen Amerschläger

Dipl. oec. troph. Karen Amerschläger über den Einfluss der Ernährungs- und Bewegungstherapie bei seltenen Blutkrebserkrankungen

Dr. med. univ. Attila Stephan Antal

Dr. med. univ. Attila Stephan Antal zu den positiven Faktoren von regelmäßigen dermatologischen Kontrollen

M. Sc. Anja Großek

M. Sc. Anja Großek zu den Einflüssen von körperlichen Aktivitäten bei der Therapie von Neoplasien

Dr. rer. medic. Michael Köhler

Dr. rer. medic. Michael Köhler zur psychoonkologischen Unterstützung von Patienten & Angehörigen bei Neoplasien

Interview: „Im Labyrinth der Symptome nicht den roten Faden verlieren“

Dr. med. Michaela Schwarz – Leiterin des Medizinischen Versorgungszentrums der Charité, Campus Virchow-Klinikum – gibt in diesem Interview einen Überblick über den Umgang mit den häufigsten Symptomen bei der PV.

1. Wer ist eigentlich als Arzt mein erster Ansprechpartner?
Gar nicht so einfach, aufgrund der unterschiedlichen Symptome. Das kann der Hausarzt sein – wegen allgemeiner Schwäche. Das kann aber auch der Hautarzt sein – wegen Juckreiz. Oder der Internist – wegen einer Thrombose an ungewöhnlicher Stelle. Besteht dann ein Anfangsverdacht auf PV, sollte generell ein Hämatologe/Onkologe hinzugezogen werden.

2. Wie oft muss ich zum Arzt?
Das weiß am besten Ihr behandelnder Arzt. Am Anfang und beim Therapiewechsel häufiger, manchmal wöchentlich. Ist die Krankheit stabil, reichen wenige Arztbesuche pro Jahr.

3. Was muss ich bei Flugreisen beachten?
Ist die PV bei Ihnen stabil, reichen meist ASS-Tabletten und das Aktivieren der Venenpumpe per Fußkreisen. Und natürlich sollten Sie immer durch ausreichend Flüssigkeitszufuhr das Blut dünn halten. Hatten Sie schon mal eine Thrombose oder bringen Sie zu viel Gewicht auf die Waage, sprechen Sie Ihren Arzt ruhig auf eine Thrombose-Prophylaxe an.

Dr. med. Michaela Schwarz
Novartis

4. Wieso hat Juckreiz bei der PV eine komplett andere Bedeutung als z. B. beim Mückenstich?
Juckreiz ist ein wichtiges Begleitsymptom der PV. Speziell, wenn er beim Baden oder Duschen auftritt. Der Zusammenhang entsteht durch die Stimulation der Juckreiznerven in der Haut durch die vermehrten Entzündungsbotenstoffe bei der PV. Insofern kann „Pruritus“ für uns Ärzte sowohl Indikator für die Schwere der Erkrankung als auch für den Erfolg der Therapie sein.

5. Weshalb ist der Aderlass bei der PV mehr als eine Blutspende?
Während einige Patienten gut mit dem Blutverlust zurechtkommen, leiden andere unter Schwindelattacken. Im Gegensatz zur Blutspende entfernen wir nämlich auch weiße Blutzellen, ersetzen verlorenes Volumen nur durch physikalische Infusionen. Je öfter jemand zur Ader gelassen wird, umso größer der Eisenmangel. Die Betroffenen leiden unter dünnem Haar, brüchigen Nägeln, rissiger Haut.

6. Warum ist das Einhalten von Arztterminen die beste Selbsthilfe?
Nur wenn regelmäßig die Blutwerte kontrolliert werden, kann der Arzt rechtzeitig reagieren. Unsere größte Sorge ist es, dass es zu einer Thrombose oder gar einem Schlaganfall kommt. Da die PV sehr unterschiedlich verläuft, sollten die geplanten Arzttermine immer wahrgenommen werden. Damit wir Ärzte uns schnell ein Bild machen können, empfehle ich meinen Patienten, den MPN10-Fragebogen mit in die Sprechstunden zu bringen. Den kann jeder zu Hause ausfüllen.

Symptomerfassungsbogen

Der MPN10-Symptomerfassungsbogen hilft Ihnen, die Symptome Ihrer PV-Erkrankung zu erkennen und aktiv zu verfolgen.

Ein Bild des Symptomerfassungsbogens
Novartis

Interview: „Fatigue, Juckreiz, Herzinfarkt – Reden wir über die ‚harmlose‘ PV, Herr Doktor Brudler“

Dr. Olaf Brudler – niedergelassener Hämatologe und Onkologe aus Augsburg – berichtet in diesem Interview über seine Therapie-Erfahrungen als PV-Spezialist in der niedergelassenen Praxis.

Sie haben sich in Augsburg als niedergelassener Onkologe auf die seltenen myeloproliferativen Neoplasien (MPN) spezialisiert. Wozu brauchen Sie ein so großes Wartezimmer, Herr Doktor Brudler?

Na ja, mein Wissen über MPN hatte ich mir bereits vor der Niederlassung angeeignet – vor über 25 Jahren an der Universitätsklinik Ulm unter dem begnadeten Differentialdiagnostiker Professor Hermann Heimpel. Kurz nach Praxiseröffnung kam dann im Juni 1994 Patient Nummer 52 zu mir in die Sprechstunde: mit einem Hämatokrit von über 50 Prozent und einer Erythrozyten-Last um die 700.000 ein klarer Fall von Polycythaemia vera, kurz PV. Bis heute begleitet mich dieser Patient – und inzwischen haben wir in dieser Gemeinschaftspraxis fast 28.000 Menschen behandelt. Meine Erfahrung ist: Wenn die zuweisenden Ärzte mitbekommen, dass man mit ihren „besonderen“ Fällen gut zurechtkommt, schicken sie bald den nächsten.

Dr. Olaf Brudler
Novartis

Ihr erster Patient mit Polycythaemia vera lebt seit 25 Jahren mit der vermehrten Bildung von Blutzellen. Ist die PV also harmlos?

Kommt darauf an – und zwar, ob die PV regelmäßig ärztlich kontrolliert und gegebenenfalls behandelt wird oder nicht. Hämatologisch ist die PV so etwas wie der Wolf im Schafspelz unter den Blutkrebsen. Die gesteigerte Zellbildung insbesondere der Erythrozyten (auch rote Blutkörperchen genannt) ist in der Frühphase für die Betroffenen vielfach wenig belastend. Im Gegenteil: Zum Beispiel Frauen, die menstruationsbedingt eher zu Blutmangel tendieren, fühlen sich leistungsfähiger und fitter. Problematisch ist der Verlauf. Je mehr Blutzellen gebildet werden, umso „dicker“ wird das Blut. Diese erhöhte „Viskosität“ kann dann zu Thromboembolien führen – sowohl in den kleinen als auch großen Blutgefäßen. Fast jeder zweite Todesfall bei der PV ist auf Herzinfarkt, Schlaganfall oder Lungenembolie zurückzuführen. Außerdem ganz wichtig: Aus einer PV kann manchmal eine gefährlichere Form der MPN werden – sprich Myelofibrose oder eine Leukämie. Deshalb bleibt Kontrolle so wichtig.

Wenn es dem Arzt vor allem um Vermeidung von schweren zukünftigen Ereignissen geht, was sind die drängendsten Beschwerden auf Patientenseite?

Da stehen vor allem akute Symptome wie Fatigue und Schmerzen, Juckreiz bzw. Hautprobleme ganz weit oben auf der Beschwerdeliste. Die Betroffenen fühlen sich nicht mehr so leistungsfähig, leiden neben exzessiver Müdigkeit am Tag unter Schweißausbrüchen in der Nacht. Ebenfalls häufig sind Glieder- und Knochenschmerzen. Juckreiz wird kurioserweise manchmal bei Kontakt mit Wasser ausgelöst. Die Ursachen können krankheitsbedingt sein – ausgelöst durch die vermehrte Bildung körpereigener Botenstoffe, die im Rahmen der gesteigerten Zellteilung ausgeschüttet werden. Oder auch therapiebedingt – zum Beispiel durch den aderlassbedingten Eisenmangel bzw. durch die blutbildungskontrollierende milde Chemotherapie.

Aderlass als Therapie klingt ziemlich mittelalterlich – ist an der Polycythaemia vera der medizinische Fortschritt vorbeigegangen?

Zum Glück nicht. Seit meinem ersten PV-Patienten vor 25 Jahren ist bis heute der Aderlass einfach nur eine gut und schnell wirksame Therapie, um den Hämatokritwert in der Anfangsphase unter 45 Prozent zu halten. Dazu kommen bewährte blutverdünnende Medikamente wie ASS 100. Reicht das nicht, ist eine milde Chemotherapie mit Hydroxycarbamid – auch Hydroxyurea bzw. HU genannt – die nächste Therapiemöglichkeit. Und führt das zu inakzeptablen Nebenwirkungen z. B. an der Haut, können wir modern und zielgerichtet medikamentös behandeln.

Worauf sollte ich selber als PV-Patient achten?

Am besten helfen Sie uns Ärzten, indem Sie auf sogenannte thromboembolische Warnhinweise achten und frühzeitig in die Notaufnahme gehen bzw. den Rettungswagen rufen. Gerade nächtliches Erwachen mit Schmerzen im Brustkorb ist ein besonderes Alarmzeichen für einen Herzinfarkt. Sehstörungen, starke Kopfschmerzen, Schwindel, Sprachstörungen und Lähmungen – auch vorübergehend – können Hinweise auf einen Schlaganfall sein.