Ältere Frau trinkt lachend einen Milchshake und älterer Mann mit Fahrradhelm lächelt in die Kamera

Die Ziele Ihrer Polycythaemia-vera-Therapie

Eine Behandlung, die Ihr Leben begleitet

Die Polycythaemia vera ist eine chronische Erkrankung. Als Standard der Therapie gelten deshalb Verfahren, mit denen die Ärzte Ihre Krankheit langfristig gut kontrollieren und Symptome lindern können – damit Sie ein möglichst normales Leben führen können. Dabei spielt auch die Erhaltung Ihrer Lebensqualität und Leistungsfähigkeit eine sehr wichtige Rolle.

Komplikationen vermeiden und Symptome lindern

Bei der Behandlung Ihrer Polycythaemia vera sollen drei wichtige Ziele erreicht werden. Erstes und vorrangiges Ziel ist es, die dauerhafte Überproduktion Ihrer Blutzellen zu senken (Hämatokrit-Wert ‹ 45%), um die Fließeigenschaften Ihres Blutes zu verbessern. Dadurch sollen Komplikationen wie Thrombosen, Herzinfarkt oder Schlaganfall verhindert werden.

Ein Mann spricht mit einem Arzt
Novartis

Auch der Erhalt Ihrer Lebensqualität ist nach den ärztlichen Leitlinien ein wichtiges Ziel. Denn unbehandelte Symptome wie quälender Juckreiz und dauerhafte Müdigkeit können Ihnen die Kraft rauben, am Alltag teilzunehmen, und Ihre Leistungsfähigkeit schmälern – teilweise bis zur Berufsunfähigkeit. Die Erkennung und Behandlung der Symptome ist deshalb ein weiteres Hauptziel.

Das dritte Ziel trägt zur möglichst langfristigen Stabilisierung Ihrer Erkrankung bei. Durch frühzeitige therapeutische Maßnahmen, die auf die Entwicklung Ihrer Erkrankung abgestimmt sind, soll der spätere Übergang in andere Erkrankungen wie Myelofibrose (MF) und akute myeloische Leukämie (AML) verhindert werden. Zu diesen Erkrankungen finden Sie mehr unter Folgeerkrankungen MF und AML.

Was Sie tun können

Sprechen Sie mit Ihrem Arzt über die Behandlung – darüber, was Sie sich persönlich von der Therapie erwarten. Denn nicht immer stimmen die Therapieziele von Ärzten und Patienten überein. So spielt für Sie möglicherweise mehr Lebensqualität eine wichtige Rolle, wenn Sie täglich mit Symptomen wie Müdigkeit oder quälendem Juckreiz kämpfen. Wenn diese krankheitsbedingten Beschwerden durch die aktuelle Behandlung nicht gelindert werden, kann Ihr Arzt die Therapie umstellen. Mit dem von Ärzten entwickelten MPN10-Symptomerfassungsbogen können Sie Ihre Beschwerden erfassen und den Bogen zum Arztgespräch mitbringen.

Welche Therapiemöglichkeiten stehen für Sie bereit?

Eins vorweg: Eine Standard-Behandlung für alle gibt es bei der Polycythaemia vera nicht. Je nachdem, wie weit Ihre Erkrankung fortgeschritten ist, können verschiedene Methoden und Medikamente angewendet werden, um

  • die Anzahl der Blutzellen zu reduzieren und die Fließeigenschaften des Blutes zu verbessern,
  • die Blutgerinnung zu verlangsamen,
  • Symptome wie Juckreiz und Müdigkeit zu lindern

Das Blut verdünnen – Aderlass und ASS

Aderlass ist das erste Mittel in Ihrem Therapieplan – eine seit jeher bewährte Behandlung, um Ihren Hämatokrit-Wert schnell und einfach zu senken. Beim Aderlass wird Ihnen Ihr Arzt zwischen 250 und 500 ml Blut entnehmen. Ziel ist es, Ihren Hämatokrit-Wert, also den Anteil der roten Blutkörperchen (Erythrozyten), unter 45% zu halten. So wird das Blut dünnflüssiger, und Ihr Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln und von Komplikationen wie Thrombosen, Herzinfarkt oder Schlaganfall sinkt.

Ihr Arzt kann zusätzlich eine medikamentöse Behandlung mit Acetylsalicylsäure (kurz ASS) verordnen. ASS hat die Eigenschaft, das Blut zu „verdünnen“ und so eine Verklumpung von Blutplättchen zu verhindern. Hier wird Ihr Arzt berücksichtigen, ob ASS für Sie verträglich ist.

Milde Chemotherapie: Wenn Ihr Risiko für Komplikationen erhöht ist

Vielleicht besteht bei Ihnen ein besonderes Risiko für Komplikationen, wenn Sie z. B. schon über 60 Jahre alt sind oder schon einen Gefäßverschluss hatten. Dann kann Ihr Arzt zusätzlich zum Aderlass eine milde Chemotherapie verordnen. Auch die Chemotherapie dient dazu, die Zahl Ihrer Blutzellen zu senken.

Eine Grafik zu Hochrisiko Patient:innen: 60 Jahre oder älter, bereits Gefäßverschlüsse in der Vergangenheit.
Novartis
Eine Grafik zu Niedrigrisikopatient:innen: Symptome mit der bisherigen Behandlung nicht gelindert; fortschreitende Myeloproliferation; steigendes Risiko für Gefäßverschlüsse und Blutungen
Novartis

Ein bewährtes Medikament ist Hydroxyurea (HU), das die Zahl Ihrer Blutzellen reduziert, indem es die Teilung von Zellen im Knochenmark hemmt und damit auch die Blutbildung einschränkt.

Statt Hydroxyurea kann auch Interferon alpha (IFNα) zur Senkung der Anzahl Ihrer Blutzellen eingesetzt werden.

Wenn Ihnen die ersten Schritte nicht weiterhelfen...

Es kann durchaus vorkommen, dass Ihnen die gerade genannten ersten Schritte nicht helfen. Dafür gibt es verschiedene Gründe – zum Beispiel, wenn die Medikamente bei Ihnen nicht oder nur ungenügend wirken oder Sie Nebenwirkungen verspüren.

In solchen Fällen wird Ihr Arzt eine Änderung der Therapie vornehmen und andere Medikamente einsetzen, beispielsweise ein Medikament wie einen sog. JAK-Hemmer.

Januskinase-Hemmer: Zielgerichtet die Vermehrung von Blutzellen bremsen

Januskinase (JAK)-Hemmer sind Medikamente, die gezielt Signale in Zellen hemmen. Weil sie am Ort der Krankheitsentstehung – in der Zelle – wirken, werden sie als zielgerichtete Therapie bezeichnet. Sie blockieren je nach Erkrankung ganz bestimmte Enzyme, die eine wichtige Signalfunktion in der Zelle haben. Bei der Polycythaemia vera wird die Aktivität der Enzyme Januskinase 1 und 2 (JAK1, JAK2) gehemmt. Deshalb spricht man hier auch von einem Januskinase-Hemmer.

Wird insbesondere JAK2 gebremst, wird auch die Anzahl neuer Blutzellen reduziert. Januskinase-Hemmer können somit helfen, das wichtige Behandlungsziel „Hämatokrit ‹ 45%“ zu erreichen. Zudem lindern sie Symptome wie Juckreiz und Müdigkeit. JAK-Hemmer gehören zu einer Gruppe von Medikamenten, die allgemein als Tyrosinkinase-Hemmer (TKI) bezeichnet werden.

Wann muss Ihre Therapie angepasst werden?

Die Auslöser für Anpassungen: Ungenügende Wirkung, Unverträglichkeit und Symptome

Wird bei Ihnen eine milde Chemotherapie eingesetzt, kann in bestimmten Situationen eine Anpassung der Medikamente erforderlich werden. Folgende Auslöser gibt es:

  • Die Medikamente wirken nicht oder nur ungenügend.Die Therapie mit Chemotherapeutika soll die hohen Zellzahlen im Blut bei Polycythaemia vera wirksam verringern. Es kommt jedoch vor, dass die Therapie nicht oder nicht ausreichend wirkt. Man spricht dann von einer Therapieresistenz.
  • Sie vertragen die Medikamente nicht, es treten starke Nebenwirkungen auf. Man bezeichnet dies als Unverträglichkeit (Intoleranz). Die Medikamente müssen deshalb abgesetzt werden.
  • Es treten neue Symptome auf oder bestehende Symptome verschlechtern sich. Unabhängig davon, ob Sie mit milden Chemotherapeutika behandelt werden oder nicht, können belastende Symptome wie Juckreiz oder starke Müdigkeit auftreten. Auch wenn Chemotherapeutika die Zellzahl im Blut wirksam verringern – sie verringern nicht vollständig die mit der Polycythaemia vera verbundenen belastenden Symptome.

In allen drei Fällen ist ein Anlass für eine Umstellung gegeben. Als Option steht Ihrem Arzt eine zielgerichtete Therapie mit einem sogenannten Tyrosinkinase-Hemmer (TKI) zur Verfügung.

Eine Frau und ein kleiner Junge puzzeln
Novartis

Was Sie tun können

Achten Sie insbesondere auf Nebenwirkungen oder Probleme mit der Verträglichkeit Ihrer Therapie sowie auf mögliche Symptome, beispielsweise Müdigkeit, und teilen Sie dies Ihrem Arzt mit. Er ist hier ganz auf Ihre Information angewiesen! Nutzen Sie insbesondere den MPN10 Symptomfragebogen und den MPN Tracker zur Erfassung von Symptomen.

Besondere Aufmerksamkeit sollten Sie Ihrer Haut schenken!
Denn im Zusammenhang mit der Polycythaemia vera und der Behandlung mit Hydroxyurea können auch therapiebedingte Hautprobleme auftreten.

Kurz-Info

Gefahr von Thrombosen: Wenn zähflüssiges Blut gerinnt

Zu viele rote Blutzellen verdicken Ihr Blut und erhöhen Ihr Risiko, eine Thrombose (Blutgerinnsel) in den größeren Blutgefäßen zu erleiden.

Wenn ein Gerinnsel eine wichtige Arterie blockiert, kann das einen Herzinfarkt oder Schlaganfall auslösen.

Wenn ein Gerinnsel eine Vene blockiert, kann eine tiefe Venenthrombose entstehen und sogar zu einer lebensbedrohlichen Lungenembolie führen.

  • Tiefe Venenthrombose (TVT): Ein Blutgerinnsel in einer tiefen Vene, hauptsächlich in den Beinen. Anzeichen einer TVT können Schmerzen, Schwellung, Rötung und erweiterte Oberflächenvenen sein.
  • Lungenembolie: Diese kann auftreten, wenn das durch eine TVT verursachte Gerinnsel sich ablöst, im Blutstrom weiterwandert und eine der Lungenarterien verstopft. Eine Lungenembolie ist eine durchaus lebensbedrohliche Komplikation.

Kurz-Info

Spät und selten: Myelofibrose und akute myeloische Leukämie

In seltenen Fällen kann eine Polycythaemia vera in eine akute myeloische Leukämie (AML) oder eine Myelofibrose (MF) übergehen. Wenn Ihr Arzt bei den regelmäßigen Verlaufskontrollen Hinweise auf einen solchen Übergang findet, ist eine erneute Knochenmarkuntersuchung sinnvoll.

Myelofibrose – das Knochenmark verfasert

Die Myelofibrose (MF) entsteht, wenn das Knochenmark durch Faser- und Bindegewebe ersetzt wird. Dadurch wird die Fähigkeit des Knochenmarks zur Produktion normaler Blutzellen vermindert. Durch die Verlagerung der Blutbildung in andere Organe (Leber bzw. Milz) können sich diese Organe als Folge vergrößern.

Akute myeloische Leukämie – zu viele unreife Blutstammzellen

Eine akute myeloische Leukämie (AML) ist eine bösartige, akute Erkrankung. Sie ist gekennzeichnet durch zu viele unreife Blutstammzellen in Blut und Knochenmark. Dies behindert die normale Entwicklung der weißen Blutzellen und damit die Infektionsbekämpfung durch das Immunsystem.

verfasertes Knochenmark
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Kurz-Info

Augen auf: Alarmsignale der Haut

Ein regelmäßiger Blick auf die Haut ist immer empfehlenswert. Insbesondere aber dann, wenn Sie aufgrund einer Polycythaemia vera mit Hydroxyurea behandelt werden.
Denn es kann – neben erkrankungsbedingten Nebenwirkungen wie Juckreiz – auch Reaktionen auf die Behandlung geben. Hier sind einige häufige Probleme unter Hydroxyurea aufgeführt:

  • Hauttrockenheit: Die Haut ist häufig rau, matt, schuppend, spröde; Rötungen und Einrisse sind möglich
  • Gefäßentzündungen: Meist zuerst an den Beinen stecknadelkopfgroße Einblutungen; diese können sich großflächiger ausdehnen und wie ein Bluterguss aussehen
  • Ulzeration: Ein schmerzhaftes, entzündlich gerötetes Loch in der Haut, scharf ausgestanzt; es kann sowohl krankheits- wie behandlungsbedingt sein
  • Aktinische Keratose: Lichtschädigungen z. B. auf Stirn, Wangen oder Handrücken in Form von tastbaren rauen, schuppenden, rötlichen Erhabenheiten der Haut, die zu weißem Hautkrebs führen können

Harmlose Hautveränderungen unter Hydroxyurea sind z. B.

  • Nagelverfärbung: schmerzlose, bräunliche bis schwarze Streifen an Hand- und/oder Fußnägeln
  • Hautpigmentierung: ungefährliche Pigmentflecken überall am Körper

Achten Sie insbesondere auf Hautveränderungen, wenn Sie bereits an einer Hauterkrankung gelitten haben oder sehr starker Sonnenbestrahlung ausgesetzt waren oder sind. Sprechen Sie unbedingt mit Ihrem Arzt über die genannten Veränderungen.

Referenzen:

  1. mpn-netzwerk e.V. Polycythaemia vera – Antworten auf häufig gestellte Fragen. Stand: Oktober 2016. https://www.mpn-netzwerk.de/polycythaemia-vera.html, letzter Zugriff am 17.03.2023.
  2. Onkopedia Leitlinie Polycythaemia Vera. Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO). https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/polycythaemia-vera-pv/@@guideline/html/index.html, letzter Zugriff am 17.03.2023.
  3. Netdoktor. Polycythaemia vera. https://www.netdoktor.de/krankheiten/polycythaemia-vera/, letzter Zugriff am 17.03.2023.
  4. Harrisons Innere Medizin. 19., überarbeitete Auflage, 2017, ABW Wissenschaftsverlag
  5. Lengfelder E et al. Diagnostik und Therapie der Polycythaemia vera im Jahre 2015. Dtsch Med Wochenschr 2015;140(20):1501–1506.